Die Grabenkämpfe dieserzeit verlaufen scheinbar zwischen „rechts“ und „links“. — Aber ist das wirklich so?
Zum einen ist ja gar nicht so klar, wo die Grenzen da verlaufen. Es gibt Menschen mit fremdenfeindlichen Einstellungsmustern sowohl bei denen, die einen Turbokapitalismus vertreten, als auch unter Anhängern eines Sozialstaats. Es gibt extrem konservative Sozialdemokraten und Grüne genauso wie progressive CSUler. Manch einer ist in technologischen Fragen konservativ, aber offen für moderne Lebensformen und umgekehrt. Rechts wie links gibt es Forderungen nach einem starken Staat, wenn auch die Detailvorstellungen voneinander abweichen. Und genauso gibt es auf beiden Seiten große Lager, die staatliche Autorität ablehnen.
Zum anderen glaube ich aber, dass das eigentliche Problem wirklich ganz woanders liegt. Denn wenn es auf beiden „Seiten“ so große Schnittmengen gibt, warum scheinen sie dann so unversöhnlich?
Wie ich schon früher festgestellt habe, sind Grenzen nur Hilfskonstruktionen. Und ich glaube, dass dieses Lagerdenken nicht mehr hilfreich ist. Die hilfreichere Unterscheidungslinie ist meines Erachtens, ob wir aus einer Haltung des Mitgefühls oder der Verschlossenheit heraus agieren.
Mir fallen viele gute Gründe ein, Probleme mit Flucht zu haben, die nichts mit Xenophobie oder Angst vor Überfremdung zu tun haben. Dafür entspringen sie viel mehr dem Mitgefühl, sowohl den Menschen gegenüber, die sich zur Flucht gezwungen sehen, als auch mit denen, die mit der Aufnahme von vielen Fremden Menschen möglicherweise überfordert sind. Kann ich den einen oder die andere hassen, wenn ich versuche, die Ursachen hinter ihrem oder seinem Handeln, ihrer oder seiner Haltung wirklich zu verstehen? Kann ich ihnen dann verübeln, dass sie wütend werden, wenn sie sich nicht gesehen fühlen? Wenn ich mich deren Bedürfnissen, Sorgen und Hoffnungen jedoch verschließen will, bin ich geradezu gezwungen, sie zu hassen. Sonst gelingt es nicht.
Ich kann gut verstehen, dass Menschen aus Sorge um Arbeitsplätze und Wohlstand eine Umstellung des Verkehrssystems oder der Energiegewinnung ablehnen. Ich kann auch die Angst verstehen, etwas wohl Vertrautes zu verlieren, ohne zu wissen was kommt. Ich kann mich aber auch in die Wut auf die Ignoranz dieser Ewig-Gestrigen hineinsteigern und mir gute Gründe ausdenken, ihren Argumenten nicht mal zuzuhören. Natürlich funktioniert es umgekehrt genauso. Aber das hier ist meine Filterblase. 😉
Ich glaube also, dass wir uns nicht einer „Seite“ zurechnen sollten. Nicht rechts oder links, nicht Kapitalist oder Kommunist, weder konservativ-progressiv noch öko-umweltsau. Die eigentliche Entscheidung, die jeder und jede für sich meines Erachtens treffen muss ist, ob sie oder er sich neugierig und mitfühlend auf die Position des anderen einlässt. Oder ob sie oder er sich in einer Haltung mit einem Gefühl der Überlegenheit oder gar Hass einschließt.
Das eine führt zu Dialog und möglichen Lösungen, die alle berücksichtigt. Das andere zu immer mehr Hass und Gewalt.
Das heißt nicht, dass man Verhalten, das andere schädigt, tolerieren soll. Die Gratwanderung wird sicher an vielen Stellen schwer für mich. Aber ich möchte lieber zur Lösung als zu Hass beitragen. Für welche Seite entscheidest du dich?